VIER JAHRE VOLLGAS

Es war 2014 als Saleem Barkeel erstmals in die Region FrankfurtRheinMain kam. Ob Studium, Job oder Social-Start-Up: Im Interview blickt der 29-jährige Elektroingenieur auf eine ereignisreiche Zeit zurück.

Sie kamen 2014 aus Syrien für Ihren Master nach Deutschland. Genauer gesagt: Nach Oldenburg?!

„Dank eines Stipendiums des Auswärtigen Amtes begann ich mein Masterstudium im Bereich Erneuerbare Energien iErm September 2014. Ich war in den letzten Zügen meines Bachelorstudiums, als der Krieg in Syrien begann. Als ich die Zusage aus Oldenburg erhielt, habe ich mich sofort ins Flugzeug gesetzt. Ich kannte zu diesem Zeitpunkt eigentlich niemanden in Deutschland. Ein entfernter Bekannter meiner Familie holte mich vom Flughafen ab und brachte mich direkt zur Uni. Bevor das Semester losging, belegte ich einen Deutschkurs.“

Neues Land, neue Sprache: Haben Sie sich schnell zurechtgefunden?

„Mein Studiengang ist sehr international, deshalb waren viele Inhalte auf Englisch. Aber ich musste mich zunächst einfinden: In Syrien gibt es weniger Entscheidungsfreiheit, da fühlte ich mich zunächst etwas orientierungslos. Doch gleichzeitig war es auch eine große Chance, die Studieninhalte mit meinem eigenen Anliegen zu verknüpfen: Eine bessere Infrastruktur in meiner Heimat. Bereits vor dem Krieg war die Energieversorgung dort nicht optimal. Also entschied ich bereits zu Beginn der Studienzeit, dass ich mich während meines Praktikums mit dem Thema Entwicklungszusammenarbeit beschäftigen will. Schnell stieß ich auf die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Eschborn und versuchte mein Glück mit einer Initiativbewerbung. Und siehe da: Ich bekam eine Zusage!“

Also ab nach FrankfurtRheinMain! Wie war Ihr erster Eindruck?

„Ich habe mich auf Anhieb sehr wohl gefühlt. Im Vergleich zu Oldenburg ist es viel internationaler hier und ich merkte sofort, dass hier der richtige Ort ist, um mich beruflich und fachlich weiterzuentwickeln. Die Region wächst und das spürt man. Das Praktikum bei der GIZ hat mir sehr gefallen und so entschied ich, hier meine Masterarbeit zu schreiben“

Wo haben Sie während dieser Zeit gewohnt?

„Die Wohnungs- bzw. Zimmersuche hatte ich mir tatsächlich viel einfacher vorgestellt. Über die üblichen Online-Inserate hatte ich leider kein Glück. Geklappt hat es dann tatsächlich über die Gemeinde der St. Ignatius Kirche in Frankfurt, denn ich besuchte gerne am Wochenende die Kirche. Ein Ehepaar hatte mitbekommen, dass ich eine vorübergehende Bleibe suche und sie baten mir ein Zimmer an. Mehr noch: wir verstanden uns sehr gut und sie wurden für mich eine Art Ersatzfamilie, mit der ich auch heute noch sehr guten Kontakt habe.“

2016 hatten Sie den Master erfolgreich in der Tasche. Wie ging es weiter?

„Ja, darauf war ich auch sehr stolz. Doch gesetzlich begann für mich nun ein Coundtdown: Es blieben mir genau 18 Monate, um eine Arbeit zu finden und in Deutschland zu bleiben. Ich ging zunächst zurück nach Oldenburg. Doch ich wollte unbedingt wieder zurück nach FrankfurtRheinMain. Und nach wie vor etwas für den Wiederaufbau meiner Heimat tun. Und entwickelte eine Geschäftsidee: „Recopedia“. Dieses „Wiki“, also eine Art Internet-Lexikon, das von jedem bearbeitet werden kann, sollte Wissen rund um nachhaltigen Wiederaufbau in Syrien bündeln und zur Verfügung stellen. Ich konnte es selbst kaum glauben, aber sowohl die GIZ als auch ein damaliges Tochternunternehmen zeigten Interesse. Die GIZ-Tochter bot mir ein Praktikumsplatz an, um die Idee weiterzuentwickeln – und ich packte erneut meine Koffer!“

So richtig leben kann man von einem Praktikumsgehalt nicht, oder?

„Nein. Und auch mein Aufenthalt war damit noch nicht geklärt. Ich war froh, wieder bei meiner Gastfamilie wohnen zu können. Ich musste mich als Absolvent selbst krankenversichern, ich wäre finanziell also ohne die Familie nicht über die Runden gekommen.“

Recopedia führte Sie sodann auch zu einem regionalen Hot Spot für Gründer mit gesellschaftlichen Engagement: Das Social Impact Lab.

„Ja auch dort wurde ich unterstützt, besuchte Seminare und entwickelte die Idee weiter. Die Atmosphäre und das Netzwerk dort begeisterten mich sehr. Doch wie so oft bei guten Ideen, scheiterte der Plan an der Finanzierung. Ich brauchte nun sehr dringend einen Job! Und ich hatte wieder Glück, denn das Social Impact Lab suchte eine Projektassistenz. Die Stelle war zwar befristet, doch sie verschaffte mir Zeit, um eine berufliche Heimat in FrankfurtRheinMain zu finden, um endlich anzukommen.

Master in Erneuerbare Energien, einschlägige praktische Erfahrungen und gute Deutschkenntnisse. Das kam sicher gut an in der Arbeitswelt?

„Auch diesmal klappte es nicht durch klassische Bewerbungsunterlagen, sondern erneut durch Netzwerken. Ich lernte ganz zwanglos jemanden kennen, der sich im Laufe des Gesprächs als Mitarbeiter der Firma Elektro Ehinger herausstellte. Für ein Projekt war die Firma auf der Suche nach einem Ingenieur mit internationaler Erfahrung der als Schnittstelle zwischen koreanischen Auftraggebern und der Firma fungiert. Ich bekam ein Jobangebot!

Mittlerweile arbeiten Sie seit 3 Monaten bei Elektro Ehinger. Wie gefällt es Ihnen?

„Der Job gefällt mir sehr gut, da er sehr praktisch orientiert ist. Hier mache ich viel mit der Hand und lerne täglich neue Sachen. Ich bin schon gespannt auf den Moment, wenn wir dieses Projekt erfolgreich zum Abschluss bringen. Wohin die Reise danach geht, lässt sich schwer sagen, denn auch diesmal ist mein Vertrag zeitlich befristet. So oder so: Mein Abenteuer in FrankfurtRheinMain ist noch lange nicht vorbei!“